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Text zu Bilder 2017

Vom Wachstum der Farben

Die Malerin Susan Baumfeld lässt Farben über die Fläche wandern – fast tastend bewegen sie sich aufeinander zu: Aquarellfarben und Wachskreiden durchdringen und überlagern sich: Ein Spiel von Linien und Flächen, das an den Blattgrenzen nicht Halt macht und den Betrachter in den Austausch bringt.

Die einzelnen Bilder und Bildfolgen sind eine Einladung zu einem meditativen Spaziergang im Bildraum. Dort gibt es immer wieder Neues zu entdecken in der Korrespondenz der Farben, die – kräftig oder zart, opak oder leuchtend, monochrom oder bunt – Formen wie beiläufig entstehen lassen. Die Farben erzählen Geschichten über Möglichkeitsorte, Landschaften, die sich jedoch nicht eindeutig festlegen lassen: Die Farbe bleibt autonom, sie geht ihre eigenen Wege und nimmt den Betrachter mit in ihre Bewegung. Häuser, Wege, Gebüsch, Bäume und Berge – Stadt- und Naturlandschaften entstehen und vergehen im Augenblick. Beim Durchstreifen des Bildraumes werden Pfade gelegt, entstehen Orte – wir durchkämmen das Gelände: ein weiter Assoziationsraum wird geöffnet, der Raum lässt für das innere Echo der eigenen Bilder.

Aufgefächert werden Räume, die neben- aber auch übereinander gelagert sind, die mal zusammenklingen, mal einander verdecken, die teils offensichtlich sind oder aber erst auf den zweiten Blick zu entdecken. Da spricht etwas mit, ohne sich aufzudrängen. Da geht es um den Möglichkeitsort zwischen den Wirklichkeiten, die immer mitmischen im Reigen der Farben, ohne Vorstellungen festzulegen, ohne Formen zu füllen. Formuliert wird eine Wachstumsbewegung zwischen Zentrum und Peripherie, mal mehr der einen, mal mehr der anderen Seite zugeneigt, zwischen Chaos und Ordnung in einer produktiven Unentschiedenheit, die uns den Spielraum lässt, das Bild als lebendiges Ganzes aufzunehmen: als Schöpfungsvorgang, der sich im Auge des Betrachters immer wieder von Neuem vollzieht.

Dort eine kleine Schraffur, hier das Stakkato kleiner Pünktchen – spielerisch bringt der Duktus der Formen und Farben die Fläche in Bewegung. Die Farbe wird über die Bande gespielt, sie strahlt in den Umraum, bringt den Betrachter in Bewegung und lässt ihn teilhaben an der Wachstumsbewegung der Bilder, Vorstellungen, Orte und Worte.

Silke Kirch
Journalistin, Kunstpädagogin